Die ganze Nacht über regnet es wie aus Kübeln. An solchen Tagen ist es schön, wenn man nicht unter die kalte Dusche muss. – Wir machen es uns in Hector kuschelig. Es wird die zweite Runde Kaffee aufgesetzt. Wollen wir wirklich vor die Tür? – Doch auf dem Platz ist schon buntes Treiben. Hund und Van, bzw. Hund und Caravan scheint fast eine Symbiose zu bilden. Oder ist es Hund und Vanbesitzer. Ich bin mir noch nicht sicher. – Dem Nachwuchs ist es egal. Er mischt erst einmal die alten Hunde, dann die Herrchen auf. Danach geht man auf Nahrungssuche. – Selbst Hunde scheinen sich heutzutage zu Vegetariern zu entwickeln. – Wobei mein Ausflug in die Pflanzenwelt beendet ist. Beim letzten Einkauf bin ich an der Wursttheke hängen geblieben.

Wie hieß es schon in meiner Jugend? – “Fleisch ist ein Stück Lebenskraft” – Vielleicht ist ja doch was dran. (Anm. von Torgit: Ja klar, und Milch macht müde Männer munter. Nur weil sie damals nichts hatten, wurde für Milch geworben. Und je blöder die Werbesprüche, um so länger bleiben sie in den Köpfen hängen)

Torgit geht eine Runde spazieren. Doch ihre Tour ist vor allem eines, matschig. – Auf dem Rückweg hat sie noch einen neuen Kumpel gefunden. Scheint eine Mords-Sauerei gewesen zu sein …

Ich will schon das Beil holen, da ist die Sau getürmt.

Erst am Nachmittag fahre ich mit Etienne in seinem alten Land Rover Discovery zum Strand. Es macht Spaß durch den Sand zu fahren. – Der fliegende Holländer, Peter van D. hat sich gestern einfach in seinem gehörnten DAF verschanzt und der GNR nicht geöffnet. – Nach einer halben Stunde klopfen, haben sie vorerst aufgegeben. Ob dies die richtige Lösung ist? –  Wir wissen es nicht.

Doch Montagmorgen, wenn sie wahrscheinlich wieder kommen, wird auch er weg sein. Zumindest vorerst. – Coming home for Christmas – Peter wäre ein prima Weihnachtsmann, oder? – Als alter Bowie Fan erinnert er mich aber vor allem an dessen Song Heroes:

 

“…We could steal time – Just for one day – We can be heroes – For ever and ever…”

 

Wir werden uns in den nächsten Tagen vom Strand fern halten. – Zumal angeblich portugiesische Galeeren gesichtet wurden. Und hiermit ist nicht ein überdimensionales Ruderboot gemeint. Wir reden hier von Quallen, zumindest fast.  Da verzichtet man gern auf’s Baden oder? Die portugiesischen Galeeren sind in ihrer äußeren Erscheinungsform der Qualle zwar stark ähnlich, tatsächlich besteht sie jedoch aus einer ganzen Kolonie. Eine Vielzahl dieser Einzeltiere ist auf bestimmte Aufgaben wie Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Abwehr oder die Ausbildung von Fangfäden spezialisiert. Das ist Solidarität. 😉 – Apropos Fangfäden, die zahlreichen blauen, weißen oder rotvioletten Tentakel sind bis zu 50 Meter lang. Bei bis zu 1000 Nesselzellen pro Zentimeter hört sich das nicht nur ziemlich schmerzhaft an. Es soll wohl auch so sein. 

Wir behalten das mal im Auge. – Nachmittags ist am Strand nichts zu sehen. – Doch auf Stellplätzen scheinen sich Gerüchte noch schneller zu verbreiten, als im Netz. Ich finde die englische Bezeichnung diesbezüglich passend „Floating Terror“, „schwimmender Terror“.

In „Fluch der Karibik“ verliert einer der Piraten ständig sein Holzauge. – Witzig? – Ich finde schon. – Doch es ist nicht immer und für alle witzig. – Heute gab es einen Kollateralschaden, zumindest war er nicht beabsichtigt und steht auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ziel unserer Reise. – Dennoch nimmt man in Kauf, dass es Schäden gibt, wenn man sich auf so kleinem Raum wie wir bewegen. – Heute hat es mich persönlich getroffen. – Wer mich länger kennt, weiß um mein Handicap. – Genauer gesagt, habe ich mir als junger Kerl das linke Auge so stark verletzt, sprich ausgestochen, dass ich einseitig erblindete. Seit vielen Jahren trage ich eine Augenprothetik, also ein sogenanntes Glasauge. – Dieses ist nun zu Bruch gegangen. Ein Thema auf das man als Krüppel, ich darf mich so nennen, sensibel reagiert. – Jetzt muss ich mir überlegen wie ich damit umgehe. Entweder laufe ich jetzt halt so rum, oder ich muss eine Reise nach Köln unternehmen. – Denn im Fall der FälIe möchte ich zu meinem Namensvetter Marc, Meister Marc Trester. Ich bin mir noch nicht schlüssig. – Augenprothetik ist ein Thema auf das man schon mal ein Auge drauf werfen kann. 

Mir war früher gar nicht bewusst, was der Beruf, das Handwerk Ocularist bedeutet. “Ein besserer Glasbläser halt” – Dann lernte ich Trester junior kennen. Marc ist Kölner Ocularist in dritter Generation. Besonders spannend fand ich seine Aussage, dass er trotz sechs jähriger Ausbildung seine Fertigkeiten erst im eigentlichen Beruf perfektioniert hat. Und ja, ihr habt richtig gelesen, es sind wirklich sechs Jahre Ausbildung. 

Die Augenprothesen bestehen aus Glas und haben bereits eine farbige Iris in den gängigen Augenfarben. Marc sucht aus hunderten von Möglichkeiten das passende Modell aus. – Allein dies ist schon eine Kunst. – Dann erhitzt er, die einem Pingpong Ball ähnliche Kugel, mit dem Bunsenbrenner, gestaltet die Iris der Prothese mit Äderchen, Pünktchen oder Sprenkeln. Allein das Zuschauen beeindruckt. Sicher kennt ihr den Ausdruck Glasbläserkunst? – Ohne diese schmälern zu wollen, dies ist nichts, gar nichts, gegen das, was ich bei Marc sah. – Doch als eigentliche Kunst der Augenprothetik  empfinde ich vor allem die  Anpassung des Kunstauges an die Augenhöhle. Auf den ersten Blick ist das Implantat danach nicht erkennbar. Zumindest nicht für Erwachsene. – Doch Kinderaugen sehen manchmal mehr. 

Ein Ocularist ist aber nicht nur ein geübter Handwerker, sondern sicherlich auch halber Psychologe. Hier ist Fingerspitzengefühl im doppelten Sinne gefragt. Denn häufig sind es Schicksalsschläge, die zum Verlust des Auges führten. Bei mir war es kein Schicksalsschlag, ich nenne das Dummheit. 

Marc hat dieses Spitzengefühl, ist sowieso ein netter Kerl. – Wir teilen das Interesse am Thema Reisen. Solltet ihr mal jemanden kennen, der Fingerspitzengefühl benötigt. – https://www.institut-trester.de

Ein Kunstauge ist nicht nur aufgrund der psychischen Belastung, beim Verlust eines Auges wichtig, des weiteren verhindert es, dass die Augenhöhle zusammenfällt. So beugt sie Entstellungen vor. Bisher hieß es ja immer der Schöne und das Biest. – Jetzt scheinen wir die Rollen zu tauschen. – Torgit wirkt schon viel ausgeglichener. (Anm. von Torgit: Ja, ich stottere schon viel weniger 😉   )

Übrigens, kennt ihr den? Unterhalten sich ein Tauber und ein Blinder. Sagt der Taube, ich kann keine Behindertenwitze mehr hören. Sagt der Blinde, das sehe ich genau so.

 


 

Torgit liebt und zitiert in der Weihnachtszeit oft und gern Loriot: “Früher war mehr Lametta” – Eine Firma bot  nun Tassen mit diesem Zitat an. Ich habe vor unserer Fahrt eine für Torgit erstanden. – Erbinnen des Humoristen wehrten sich – nun hat das Gericht entschieden.

Erkenntnis des Tages: “Früher war mehr Lametta” ist nicht schützenswert. – Sag das mal Torgit.

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