Wir haben wunderbar geschlafen, die salzhaltige Luft hier draußen an der Lagune ist wunderbar erfrischend. Beim Blick aus dem Bulli meinen wir unseren Augen nicht zu trauen. Nicht nur, dass sich über Nacht die Landschaft verändert hat, zur Zeit herrscht Ebbe. Nein, wir schauen direkt auf drei Flamingos, welche die nun fast freiliegende Lagune nach Krebsen absuchen. Obwohl sich ihre rosa Färbung lediglich am Vorderkörper, den Oberflügeln und den Beinen abzeichnet, sind sie anhand ihrer Schnäbel auf den ersten Blick zu erkennen. Ich kann gar nicht beschreiben, was dieser Anblick in mir auslöst. – Vielleicht doch, plopp glücklich. Wie angeschaltet! Ich grinse nur noch.

An einem so wunderbaren Platz kann man sicherlich nicht lange allein bleiben. Also raus aus der Koje und ab unter die Außendusche. Und richtig, kaum sind wir mit dem Duschen fertig, kommen nach und nach einige Autos und Mopeds angefahren. – Doch es sind keine Touristen oder Wanderer, sondern Muschelfischer, welche den Strand absuchen.

Das sieht nach harter Arbeit aus. – Ich komme mit einem der Muschelsuchenden namens Nuno ins Gespräch. Er spricht gut Englisch und zeigt mir, wie er die Muscheln mit einem kurzen Brett freilegt. Nuno sammelt hier nur zum Vergnügen, doch erzählt freimütig, dass die meisten Fischer jeden Morgen hier wären, um ihren Lebensunterhalt mit der Suche zu bestreiten. Nuno ist hier aufgewachsen und erklärt mir erst einmal, was es mit der Lagune auf sich hat.

Unser Platz, die Ria de Alvor, ist eine Estuário, sowohl Wattlandschaft als auch Fluss-Mündung. Dünen und Salzwiesen gehen ineinander über. Der Fluss Alvor entspringt dem Gebirge “Serra de Monchique”, wo wir erst vor ein paar Tagen wahren. – Hier gibt es über 500 Arten von Pflanzen, darunter mehrere geschützte, über 250 Vogelarten, sowie diverse Arten von Schmetterlingen und Käfern. Also ein Paradies für jeden Ornithologen.

Auf meine Frage nach den Apnoe Tauchern vom Vortag deutet er auf einen anderen Muschelfischer. Dieser würde genau wie die Taucher Stabmuscheln ernten. Die Taucher hätten jedoch deutlich größere Erträge. Ich solle mir das ruhig mal ansehen. Man fängt die Muscheln mit Salz. – Und so ist es auch. – Miguel der zweite Sammler spricht zwar nur gebrochen Deutsch, doch seine Erklärungen sind simpel. Er streut einfach ein wenig Salz auf eines der kleinen Löcher im Watt. Langsam gleitet die wurmartige Stabmuschel halb aus dem Loch. Ein Griff und schon ist die Muschel frei gelegt. Schnell kann man erkennen, wie sich die Muschel mit dem unteren Ende eingräbt. Diese Muschel könnte fast die Inspiration für den Fiction-Roman “Der Wüstenplanet” von Frank Herbert gewesen sein. Den muss man nicht kennen, waren die 80er. Angeblich sollen die Muscheln ganz gut schmecken. – Ich finde sogar ein Kochrezept: https://sz-magazin.sueddeutsche.de/das-kochquartett/ferien-im-kochtopf-8664 – Freue mich über Euer Feedback. Mich würde mehr Nuno’s Fang interessieren. Denn der zieht so ganz nebenbei noch einen Tintenfisch aus dem Wasser. – Lecker!

Torgit spaziert ein wenig den Deich entlang. Der Weg findet sein plötzliches Ende, da der Damm nach etwa einem Kilometern eingestürzt ist. – Bis dahin sieht man links auf den Rio de Alvor und die dahinterliegenden Dünen. Rechts im Brackwasser hat man einen wunderschönen Blick auf das Vogelgebiet. Nuno hat uns noch berichtet, dass es hier früher gar keine Flamingos gegeben hätte. Diese wären erst in den letzten Jahrzehnten in diesem Gebiet zu sehen. Man merkt, Nuno ist nicht mehr der Jüngste. – Am Nachmittag tauchen mehrere Kite-Surfer und ein Wind-Surfer in der Lagune auf. – Dies animiert mich dazu das SUP auszupacken. Extra für das Meer habe ich mir ein Kajakpaddel angeschafft. Das war auch gut so, denn ohne wäre ich bei diesem Wind sicher keinen Zentimeter voran gekommen. So genieße ich noch ein wenig die Natur. Nach zwei Stunden paddeln komme ich völlig entkräftet zum Bulli zurück. – Torgit hat Pellkartoffel mit Heringstip zubereitet. – Essen macht glücklich. – Wir haben auf unserer Tour schon viele schöne Plätze gesehen. Dieser gehört ganz sicher zu einem der Favoriten.

Nach dem Abendessen beschließe auch ich den Damm bis zu seinem Ende zu folgen. Inzwischen ist das Wasser zurück, wieder hat sich das Bild gewandelt. Vom Ende des Damms, sieht man einige Bauhaus Villen, sowie einen Golfplatz am gegenüberliegenden Ufer. Ich bin immer wieder verwundert, wie viele moderne Architektenhäuser hier zu finden sind. Kurz vor Sonnenuntergang bin ich wieder am Bulli. Inzwischen sind alle Fischer, Kiter, Surfer & Co verschwunden. Wir haben den Platz am Damm wieder für uns. Selten habe ich einen solch friedlichen Tag verbracht. Hätte man mir früher gesagt, dass mich ein paar Flamingos so glücklich machen könnten, hätte ich den Erzähler ausgelacht. – (Anm. von Torgit: Jetzt weiß ich auch, warum hier so viele Salzpackungen im Müll liegen.)

Erkenntnis des Tages: Man braucht hier nur eine Hand voll Salz um seine Nahrung zu finden.

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